Warum die SPD eine Entschuldigung bei Thilo Sarrazin in Erwägung ziehen sollte
Ein Großteil der Genossen in der SPD war damals gegen einen Ausschluss von Thilo Sarrazin. Vielmehr waren es vor allem einige Mitglieder des Parteivorstands, die auf den Ausschluss drängten und diesen letztlich durchsetzen. Die Basis der Partei stand den Forderungen nach einem Parteiausschluss kritisch gegenüber; viele Genossen empfanden die Diskussionen über Migration und Integration, die Sarrazin anstieß, als wichtig und waren der Meinung, dass seine Positionen innerhalb der SPD hätten diskutiert werden können – auch wenn sie umstritten waren.
Aus heutiger Sicht wirkt der Ausschluss von Sarrazin wie eine verpasste Chance: Statt den Diskurs zu öffnen und auch kritische Stimmen innerhalb der Partei zuzulassen, zog der Vorstand eine klare Trennlinie, die vielen in der Basis als überzogen erschien. Mit den heutigen gesellschaftlichen Entwicklungen, der Verschärfung des Migrationsrechts und der breiteren Akzeptanz für eine differenzierte Debatte über Integration stellt sich die Frage, ob wir als SPD damals die richtige Entscheidung getroffen haben.
Eine Entschuldigung wäre ein Schritt, der den Willen zur Selbstreflexion zeigt und die Bereitschaft, offen zu Fehlern zu stehen. Sie könnte signalisieren, dass wir innerparteiliche Diskussionen nicht scheuen und auch kritische Perspektiven integrieren, ohne dabei die Grundwerte der SPD zu vernachlässigen. Ein solcher Schritt würde auch denjenigen Genossen Anerkennung verschaffen, die sich damals für eine offene Debattenkultur ausgesprochen haben und denen es darum ging, komplexe gesellschaftliche Fragen in die Partei zu tragen.
Malte Höpfner